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Was ist eine fibrosierende Schilddrüsenentzündung („Riedel-Struma“)?

Riedel-Thyreoiditis, Riedel-Struma oder „eisenharte“ Struma – all dies sind Namen für die nach dem deutschen Chirurgen Bernhard Riedel (1846 – 1916) benannte fibrosierende Schilddrüsenentzündung. Bei dieser äußerst seltenen Erkrankung sorgen Entzündungsprozesse für eine vermehrte Bildung von Bindegewebe, welches schrittweise das funktionsfähige Schilddrüsengewebe verdrängt. Allgemein werden Gewebeveränderungen dieser Art auch als Fibrose bezeichnet. Die Riedel-Thyreoiditis tritt bei etwa 1:100.000 Menschen auf und betrifft vorwiegend erwachsene Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren.1

Verlauf der Riedel-Thyreoiditis und ihre Auswirkungen

Aufgrund bislang noch nicht geklärter Ursachen wird durch entzündliche Veränderungen nach und nach gesundes Schilddrüsengewebe durch hartes, funktionsloses Bindegewebe ersetzt. Ein besonderes Erkennungsmerkmal der Erkrankung ist daher eine zunehmende Verhärtung des gesamten Organs. Da sich die Fibrosierung aber nicht nur auf die Schilddrüse begrenzt, kann auch benachbartes Gewebe davon betroffen sein. Zu den Symptomen der Riedel-Thyreoiditis gehören erhebliche mechanische Beeinträchtigungen zum Beispiel beim Schlucken aber auch Heiserkeit und später Luftnot. Ebenso kann es bedingt durch die zunehmende Zerstörung von funktionsfähigem Gewebe zu Unterfunktionen der Schilddrüse (Hypothyreose) und der Nebenschilddrüsen (Hypoparathyreoidismus) kommen. In der Medizin werden aktuell drei mögliche Ursachen für die Krankheitsentstehung diskutiert:

  • eine systemische Fibrosierungsstörung, das heißt eine gesteigerte Bildung von Bindegewebe in vielen Organen
  • eine Sonderform der Autoimmunthyreopathie – also einer chronisch entzündlichen Schilddrüsenerkrankung, bei der Antikörper oder spezielle Immunzellen (T-Zellen) fälschlicherweise das schmetterlingsförmige Organ angreifen.
  • eine Immunglobulin-assoziierte Erkrankung (IgG4). Bei dieser Erkrankungsform ist ebenfalls das Immunsystem involviert. Sie charakterisiert sich unter anderem durch eine Tendenz zur Gewebeveränderung (Fibrosierung), welche gesamten Körper befallen kann.


Zudem gibt es Hinweise, dass die Riedel-Thyreoiditis mit fibrosierenden Erkrankungen anderer Organe (z. B. der Netzhaut, Leber, Gallengänge oder des Herzens) in Verbindung stehen könnte.

Diagnose und Behandlung

Für die eindeutige Diagnose der Riedel-Thyreoiditis hilft eine Gewebeentnahme mittels einer Schilddrüsenpunktion. Sie unterstützt die diagnostische Beurteilung neben dem klinischen Bild mit den genannten Symptomen, dem Nachweis schilddrüsenspezifischer Antikörper und der typisch „eisenharten“ Schilddrüse bei der Tastuntersuchung (Palpation) Lassen sich in der entnommenen Gewebeprobe eine massive Vermehrung fibröser Fasern und ein erhöhtes Vorkommen spezieller weißer Blutkörperchen (eosinophile Granulozyten) feststellen, spricht alles für die fibrosierende Schilddrüsenentzündung.

Zu Beginn wird die Erkrankung durch die Gabe von Glucokorticoiden („Cortison“) behandelt, was oftmals die Beschwerden deutlich verbessert und den fibrotischen Umbau des Schilddrüsengewebes etwas verlangsamt. Alternativ können auch Wirkstoffe wie Tamoxifen oder Mycophenolat zum Einsatz kommen, die entweder wachstumshemmend wirken oder die Fibrose und das Immunsystem unterdrücken sollen. Allerdings existieren wegen der Seltenheit der Riedel-Thyreoiditis dazu keine größeren Studien.2 Darüber hinaus erfolgt bei einer sich entwickelnden Hypothyreose die Gabe von Schilddrüsenhormonen (z. B. L-Thyroxin). Ebenso muss eine mögliche Unterfunktion der Nebenschilddrüsen adäquat behandelt werden.

Schreitet die Erkrankung trotz der medikamentösen Therapie weiter voran, muss die Schilddrüse in der Regel operativ entfernt werden. Aufgrund der sich ausbreitenden Fibrosierung, auch außerhalb der Schilddrüse, treten Komplikationen – wie Beeinträchtigungen der Nebenschilddrüsen- oder Stimmbandfunktion – nach der Operation häufiger auf. Unabhängig davon ist nach der Entfernung der Schilddrüse eine lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormonen notwendig.

Autor:
Dr. Mathias Beyer
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Osteologie (DVO)
Praxis für Endokrinologie, Nürnberg

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Quellen:

  1. Gosi SKY, Nguyen M, Garla VV. Riedel Thyroiditis. 2023 Mar 20. In: StatPearls . Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 Jan–. PMID: 30725988.
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK537303/
  2. Navarro-Sánchez V, Marín-Castañeda LA, Gallegos CA, Quiroz O, Ahumada-Ayala M. IgG4-Related Fibrous Thyroiditis (Riedel's Thyroiditis): A Case Report. Am J Case Rep. 2020 Nov 12;21:e928046. doi: 10.12659/AJCR.928046.
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7669956/pdf/amjcaserep-21-e928046.pdf

Letzte Aktualisierung: 20.10.2023