SERVICE

Diätwahn – Schilddrüsenhormone zum Abnehmen?

„Schilddrüsenunterfunktion macht dick, Schilddrüsenüberfunktion macht dünn.“ Das war nach der Entwicklung von Messmethoden für Schilddrüsenhormone in den 1970er Jahren ein gängiger Satz in medizinischen Lehrbüchern. Menschen, die abnehmen möchten, könnten dadurch auf die Idee kommen, dass man durch eine mit Schilddrüsenhormonen künstlich herbeigeführte Überfunktion Gewicht verlieren kann. Aber ist das tatsächlich so einfach?

Zunächst lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Schilddrüse und ihre Hormone zu werfen. Das kleine Organ unterhalb des Kehlkopfes produziert zwei Hormone, Tetrajodthyronin (T4, Thyroxin) und das 10-fach stärker wirkende Trijodthyronin (T3), wobei deutlich mehr T4 als T3 hergestellt wird (100 vs. 10-15 Mikrogramm). Ein erheblicher Anteil des T4 wandeln die Organe, die Schilddrüsenhormone benötigen, später in das wirksamere T3 um. Daher spricht man beim T4 auch oft von einer Hormonvorstufe.

Schilddrüsenunterfunktion senkt den Kalorienbedarf

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) werden unter anderem die Wärmeproduktion, der Sauerstoffverbrauch und die Darmtätigkeit im Körper zurückgefahren. Das resultiert zwar in einem verminderten Kalorienbedarf, was bei vielen, aber nicht bei allen Patientinnen und Patienten zu einer Gewichtszunahme führt. Mitunter kommt es jedoch auch zu einem verminderten Appetit, was eine Gewichtszunahme verhindert.

Bei einer Überfunktion nimmt auch die Muskelmasse ab

Im Gegensatz zur Schilddrüsenunterfunktion nehmen bei der Überfunktion (Hyperthyreose) die Wärmeproduktion sowie der Sauerstoff- und Kalorienverbrauch zu. Auch die Darmtätigkeit wird beeinflusst, wodurch Patientinnen und Patienten an Durchfällen leiden können. Dennoch ist hier nicht zwingend mit einer Gewichtsabnahme zu rechnen, da gelegentlich ein gesteigerter Appetit für Ausgleich sorgt. Wenn es schlussendlich doch zu einem Gewichtsverlust kommt, betrifft die Abnahme in mindestens gleichem Maße die Muskelmasse wie das Fettgewebe. Allerdings vermindert sich durch eine geringere Muskelmasse auch der Kalorienumsatz. So kann es sein, dass die Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher Behandlung einer Hyperthyreose schneller wieder zunehmen.

Darum sind Schilddrüsenhormone keine Diätpillen

Bei einer normalen Schilddrüsenfunktion reguliert die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) mit dem Thyreoidea-stimulierenden Hormon (TSH) die Schilddrüsenaktivität. Beeinflusst wird dieser Prozess durch die Blutkonzentration des Schilddrüsenhormons T4. Wird das T4 in Tablettenform eingenommen, drosselt der Körper die Schilddrüsenaktivität, wobei die T4-Konzentration durch die Tablette konstant bleibt. Allerdings reduziert die verminderte Schilddrüsenaktivität auch die T3-Produktion, was möglicherweise den Kalorienverbrauch weiter verringert und eine Gewichtsabnahme verhindert. In seltenen Fällen kommen Medikamente mit dem Schilddrüsenhormon T3 zum Einsatz. Diese können zwar zu einem gesteigerten Kalorienverbrauch führen, jedoch geht dies auch mit dem beschriebenen Verlust an Muskelmasse und den damit verbundenen Effekten einher. Potenziell gefährlich in diesem Szenario ist, dass sich die Hirnanhangsdrüse nur nach dem T4 richtet und einen möglichen T3-Überschuss gar nicht bemerkt. Die Folgen sind mitunter lebensbedrohlich: Der Sauerstoffverbrauch des Herzens steigt an, bei vorbestehenden Schädigungen kann es zu Herzrhythmus- und Durchblutsstörungen kommen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine medizinisch unbegründete Einnahme von Schilddrüsenhormonen das Gleichwicht des Schmetterlingsorgans stört. Die Verwendung solcher Medikamente zur „Unterstützung“ einer Diät ist demnach nicht sinnvoll. Im Gegenteil – der Medikamentenmissbrauch kann sogar lebensgefährlich werden.

Quellen:

  1. Hotze, Schumm-Draeger: Schilddrüsenkrankheiten, Taschenbuch, 5. Auflage, ISBN: 9783880400023
  2. Schäffler A. Hormone Replacement After Thyroid and Parathyroid Surgery. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(47): 827-34. DOI: 10.3238/arztebl.2010.082

Letzte Aktualisierung: 08.12.2025

MAT-DE-2503295-1.0-08/2025