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Schilddrüsenfunktionsstörungen und Diabetes – mögliche Wechselwirkungen beachten

Funktionsstörungen der Schilddrüse und die „Zuckerkrankheit“ Diabetes mellitus zählen zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen überhaupt. So wird angenommen, dass eine zumeist leichte Schilddrüsenunterfunktion (latente Hypothyreose) bei etwa 3-10 Prozent der Bevölkerung vorkommt. Eine Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) ist zwar seltener, jedoch nimmt die Häufigkeit ihrer latenten Form im Alter deutlich zu.1 Beim Diabetes mellitus unterscheidet die Medizin zwischen dem Typ 1 und dem weitaus häufigeren Typ 2: Laut jüngsten Erhebungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sind rund 10 Prozent der deutschen Bevölkerung von einem Typ 2 Diabetes betroffen.2 Daher lassen sich sowohl Schilddrüsenfunktionsstörungen als auch Störungen des Zucker- beziehungsweise Insulinstoffwechsels bei vielen Patientinnen und Patienten gleichzeitig diagnostizieren. Werden diese unzureichend oder gar nicht behandelt, wirken sie ungünstig aufeinander. Diese Wechselwirkungen gilt es, bei deren Behandlung zu berücksichtigen.3,4

Unter- und Überfunktion beeinflussen Zuckeraufnahme und Insulinwirkung

In den meisten Fällen wird eine Schilddrüsenunterfunktion durch eine Autoimmunentzündung der Schilddrüse, die Hashimoto-Thyreoiditis, hervorgerufen. Diese Schilddrüsenerkrankung tritt übrigens häufiger bei Patientinnen und Patienten mit dem ebenso autoimmunologisch verursachten Diabetes mellitus Typ 1 auf.5 Aber auch eine vorangegangene Schilddrüsenoperation oder eine Radiojodtherapie können eine verminderte oder gar ausbleibende Schilddrüsenhormonbildung verursachen. Bleibt ein Mangel an Schilddrüsenhormonen unerkannt oder unzureichend behandelt, führt diese Situation zu einer verstärkten Insulinwirkung und zu einer gleichzeitig verringerten Zuckeraufnahme (Glukose) aufgrund eines trägen Darms. In der Folge sinkt der Blutzuckerspiegel und die Gefahr für Unterzuckerungen nimmt zu – insbesondere bei insulinpflichtigen Diabetespatientinnen und -patienten.

Auslöser für eine Schilddrüsenüberfunktion sind oftmals heiße Schilddrüsenknoten (autonome Adenome) oder die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow. Letztere kommt bei Patientinnen und Patienten mit einem Typ 1 Diabetes ebenfalls häufiger vor.5 Werden zu viele Schilddrüsenhormone produziert, stört dies die Blutzuckerverwertung des Körpers. Die Wirksamkeit des Hormons Insulin wird behindert und dadurch weniger Blutzucker in die Zellen geschleust. Gleichzeitig kommt es zu einer verstärkten Aufnahme von Zucker über den Darm, sodass die Blutzuckerwerte insgesamt ansteigen – ohne dass sich etwas an der Therapie des Diabetes oder den Lebens- und Essgewohnheiten geändert hat. Auch eine zu hohe Dosis an Schilddrüsenhormonen zur Behandlung einer Unterfunktion kann diese Effekte hervorrufen.

Erhöhtes Jodmangelrisiko bei Diabetes mellitus

Ein wesentlicher Grund für die Entwicklung einer krankhaft vergrößerten Schilddrüse (Struma) ist neben einer familiären Veranlagung ein Jodmangel, der durch den Verzehr jodarmer Nahrungsmittel hervorgerufen wird. Durch zusätzlichen Verlust von Jod über die Urinausscheidung, welche bei an Diabetes erkrankten Menschen häufig gesteigert ist, verstärkt sich diese Mangelsituation und begünstigt damit eine Schilddrüsenvergrößerung, oft mit zusätzlicher Entstehung von Knoten3.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Bei Vorliegen eines Diabetes mellitus sollte an die Möglichkeit einer gleichzeitig bestehenden Schilddrüsenfunktionsstörung gedacht werden. Dies gilt verstärkt für Menschen mit einem Diabetes mellitus Typ 1. Besteht eine familiäre Häufung von Autoimmunerkrankungen, neigen die Patientinnen und Patienten ohne sonst ersichtlichen Grund zu Unterzuckerungen oder zu hohen Blutzuckerwerten. Es empfiehlt sich daher immer die Schilddrüsenfunktion zu kontrollieren. Zudem gilt besonders für Diabetikerinnen und Diabetiker der Rat, auf eine ausreichende Jodversorgung durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz sowie den regelmäßigen Verzehr von Seefisch, Milch und Milchprodukten zu achten. Nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt kommt bei Bedarf auch die zusätzliche Einnahme von Jodidtabletten in Betracht.

Autor:
PD Dr. med. habil. Stefan Karger
Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologie DVO, Leipzig

Prof. Dr. med. P. E. Goretzki

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Quellen:

  1. Hashimoto K. Update on subclinical thyroid dysfunction. Endocr J. 2022 Jul 28;69(7):725-738. doi: 10.1507/endocrj.EJ22-0182.
  2. Esther Seidel-Jacobs, Thaddäus Tönnies, Wolfgang Rathmann. Epidemiologie des Diabetes in Deutschland Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2024. MedTriX; ISSN 1614-824X
  3. Rong F et al. Association between thyroid dysfunction and type 2 diabetes: a meta-analysis of prospective observational studies. BMC Med. 2021 Oct 21;19(1):257. doi: 10.1186/s12916-021-02121-2
  4. Biondi B et al. Thyroid Dysfunction and Diabetes Mellitus: Two Closely Associated Disorders. Endocr Rev. 2019 Jun 1;40(3):789-824. doi: 10.1210/er.2018-00163.
  5. Hunger-Battefeld W et al. Prevalence of polyglandular autoimmune syndrome in patients with diabetes mellitus type 1. Med Klin (Munich). 2009 Mar 15;104(3):183-91. doi: 10.1007/s00063-009-1030-x.
  6. Schumm-Draeger, PM. Update Schilddrüse bei Diabetespatienten. Info Diabetol 14, 33–35 (2020). https://doi.org/10.1007/s15034-020-2109-y

Letzte Aktualisierung: 17.01.2024