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Schilddrüsendiagnose mit KI und Chatbot?

Bereits in den 1950er Jahren gab es die Idee, Künstliche Intelligenz (KI) oder englischsprachig „Artificial Intelligence“ (AI) in der Medizin zu nutzen. Es dauerte allerdings fast 50 Jahre, bis dies in einigen Bereichen möglich wurde. Heute scheint es so, als wenn KI in allen Bereichen des Lebens Einzug hält. Aber auch in Zukunft kann Künstliche Intelligenz die ärztliche Diagnose beispielsweise von Schilddrüsenerkrankungen nicht ersetzen. Zwar wird KI die Ärztinnen oder Ärzte bei der Diagnosestellung mehr und mehr unterstützen, darüber hinaus benötigt es jedoch die notwendige Empathie und Erfahrung, um Patientinnen und Patienten gut behandeln zu können. Doch wo kommt Künstliche Intelligenz bereits heute überall zum Einsatz?

KI in der Schilddrüsendiagnostik

Künstliche Intelligenz kommt zum Beispiel beim Schilddrüsenultraschall zum Einsatz. In einigen Ultraschallgeräten unterstützt KI dabei, Schilddrüsenknoten besser ausfindig zu machen und gibt eine Einschätzung, ob entdeckte Knoten gutartig oder bösartig sind. In näherer Zukunft werden automatisierte Ultraschallsysteme vermutlich eine bessere Diagnose geben können als das menschliche Auge. Ein weiterer Vorteil von Künstlicher Intelligenz ist die Verarbeitung großer Datenmengen. Dadurch wird beispielsweise die Erkennung von Mustern möglich, die das Eintreten bestimmter Ereignisse mit deutlich höherer Genauigkeit vorhersagen können, als es die Interpretation der augenblicklichen Situation zulässt. Perspektivisch könnte auch mittels einer KI-gestützten Analyse aller vorhandenen Laborwerte eine Prognose getroffen werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Schilddrüsenunterfunktion oder überfunktion im Lauf des Lebens eintreten wird. Menschen mit einem höheren Risiko könnten so besser identifiziert werden.

Anwendung von KI bei Schilddrüsenerkrankungen

Bereits jetzt versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Laborwerte von Menschen, die aufgrund eines Morbus Basedow an einer Schilddrüsenüberfunktion leiden, mithilfe von KI zu analysieren und so die Dosis an Medikamenten zu berechnen, die notwendig ist, um eine normale Schilddrüsenfunktion zu erreichen. Möglicherweise wird sich dies als unterstützendes Werkzeug in der Behandlung durchsetzen. Auch bei der Untersuchung von Schilddrüsengewebe, aus einer Feinnadelbiopsie oder nach einer Operation, wird Künstliche Intelligenz eine wichtige, unterstützende Rolle spielen. Durch Mustererkennung und einen fast simultanen Vergleich der mikroskopischen Bilder mit tausenden Befunden aus dem Archiv wird sich eine Diagnose viel schneller und präziser stellen lassen, als es heute in der Pathologie möglich ist. Gleichzeitig können aus dem Gewebematerial eine Vielzahl von Genen untersucht und in Zusammenschau mit den Daten aus der Mikroskopie eine hohe Genauigkeit für die endgültige Diagnose erreicht werden.

Mit Chatbots zur richtigen Diagnose?

Chatbots sind sprachbasierte Computerprogramme, die eine Frage unmittelbar beantworten und dafür auf einen großen Datensatz als Grundlage zurückgreifen. Einer der Bekanntesten ist derzeit ChatGPT. Solche Chatbots sind gut darin, zu unterschiedlichsten Fragestellung schnell Auskunft zu geben. Allerdings können sie noch keine zuverlässige, gesicherte Diagnose stellen. Zwar wird die Eingabe von Laborwerten und Symptomen überwiegend richtig gedeutet, aber ein Testversuch durch den Autor dieses Artikels mit einer Reihe von Laborwerten ergab auch einmal eine völlige Fehldiagnose – Schilddrüsenunterfunktion statt Überfunktion. Richtigerweise weisen Chatbots in der Regel daraufhin, dass eine ärztliche Interpretation der Ergebnisse zwingend notwendig ist. Nichtsdestotrotz werden derzeit auch Chatbots entwickelt, die das medizinische Personal in verschiedenen Bereichen unterstützen sollen. Zusammenfassend lässt sich sagen, das Künstliche Intelligenz und Chatbots die Arbeit rund um die Schilddrüsendiagnostik sicherlich erleichtern werden, sie aber nicht die ärztliche Einschätzung und Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen ersetzen können.

Autor:

Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Feldkamp
Direktor der Universitätsklinik für Endokrinologie und Diabetologie, Allgemeine Innere Medizin, Infektiologie
Klinikum Bielefeld

Quellen:

  1. Toro-Tobon D et al. Artificial Intelligence in Thyroidology: A Narrative Review of the Current Applications, Associated Challenges, and Future Directions. Thyroid 2023 Aug;33(8):903-917
  2. Ha EJ et al. Artificial Intelligence Model Assisting Thyroid Nodule Diagnosis and Management: A Multicenter Diagnostic Study. J Clin Endocrinol Metab. 2024 Jan 18;109(2):527-535.
  3. Gruson D et al. Artificial intelligence and thyroid disease management: considerations for thyroid function tests. Biochem Med (Zagreb) 2022 Jun 15;32(2):020601.

Letzte Aktualisierung: 13.09.2024