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TSH und Thyroxin in der Schwangerschaft und Stillzeit
Eine Schwangerschaft bringt eine Vielzahl hormoneller Veränderungen mit sich – ihre Auswirkungen betreffen auch die Schilddrüse. So ahmt beispielsweise das Schwangerschaftshormon hCG (humanes Choriongonadotropin) die Wirkung des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) nach, welches normalerweise die Schilddrüsenfunktion reguliert. Dadurch sinkt im ersten Schwangerschaftsdrittel der TSH-Wert ab und normalisiert sich über die Zeit wieder. Für eine unkomplizierte Schwangerschaft kommt es generell auf einen euthyreoten, also normalen Schilddrüsenstoffwechsel an, wobei der Bedarf am Schilddrüsenhormon Thyroxin (T4, Tetrajodthyronin) zunimmt. So gilt eine um 50 Prozent gesteigerte Thyroxinproduktion als normal und ist wichtig, da die Mutter den Fötus über die Plazenta mit Thyroxin versorgt, bis dieser selbst Schilddrüsenhormone herstellen kann. Doch welche TSH-Werte sind in der Schwangerschaft normal? Was ist zu beachten, wenn bereits eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegt? Und wie sieht mit dem Thyroxinbedarf in der Stillzeit aus?
TSH-Schwankungen in der Schwangerschaft
Früher wurde vielen gesunden Frauen mit Kinderwunsch noch gesagt, dass der TSH-Wert optimalerweise bei 1 Milli-Einheit pro Liter (mU/l) liegen sollte.1 Doch auch Werte im oberen Normbereich zwischen 2,5 und 4 Milli-Einheiten pro Liter sind bei schilddrüsengesunden Schwangeren ohne Risiko für das ungeborene Kind oder den Schwangerschaftsverlauf, wie neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen.2 Wird im ersten Schwangerschaftsdrittel trotz des Einflusses des Schwangerschaftshormons hCG ein TSH-Wert von über 2,5 Milli-Einheiten pro Liter gemessen, sollte ärztlicherseits abgeklärt werden, ob eine behandlungsbedürftige Schilddrüsenerkrankung vorliegt.2 Stellt die Ärztin oder der Arzt dann eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) fest, sollte eine Behandlung mit L-Thyroxin erfolgen und der TSH-Wert mindestens einmal pro Schwangerschaftsdrittel kontrolliert werden.3 Für Frauen mit bereits bestehender Schilddrüsenfunktionsstörung ist die regelmäßige Kontrolle der Schilddrüse ohnehin vorgesehen. Ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel entwickelt sich die Schilddrüse des Fötus und beginnt selbst Schilddrüsenhormone zu bilden. Dafür ist wiederum eine ausreichende Jodversorgung über die Mutter erforderlich.
Notwendige Dosisanpassung von L-Thyroxin
Eine Schwangerschaft stellt für die Schilddrüse insbesondere eine Belastungsprobe dar, wenn diese schon zuvor zu Funktionsstörungen beziehungsweise zur Unterfunktion neigte. Eine Hypothyreose kann aber auch während der Schwangerschaft entstehen – beispielsweise weisen Frauen mit Antikörpern gegen spezifische Schilddrüsenstrukturen ein etwas höheres Risiko dafür auf.1
Wird aufgrund einer bestehenden Hypothyreose bereits L-Thyroxin eingenommen, muss oft eine Dosisanpassung erfolgen, um den erhöhten Schilddrüsenhormonbedarf in der Schwangerschaft zu decken. Die höhere Dosis ist oftmals nur für die Dauer der Schwangerschaft notwendig und kann nach der Geburt meist auf das vorherige Niveau gesenkt werden.1,3 Unabhängig davon sind die erniedrigten TSH-Werte im ersten Schwangerschaftsdrittel nur selten behandlungsbedürftig und erfordern auch keine Dosisanpassung. Ab der zwölften Schwangerschaftswoche normalisieren sich die Werte in der Regel wieder.1
Nach der Geburt und in der Stillzeit
Direkt nach der Geburt wird beim Kind im Rahmen des Neugeborenenscreenings die Schilddrüsenfunktion getestet. Denn in sehr seltenen Fällen kann eine sogenannte angeborene Hypothyreose vorliegen, bei der der Säugling unmittelbar mit L-Thyroxin behandelt werden muss.1 Gesunde Kinder produzieren selbst genügend Schilddrüsenhormone. Genau wie bei Erwachsenen kommt es dann auf eine ausreichende Jodzufuhr an. Stillenden Müttern wird daher die Einnahme von
Jod in Tablettenform empfohlen, um den erhöhten Bedarf zu decken.4 Nicht gestillte Säuglinge bekommen sogenannte Anfangsnahrung, die ausreichend Jod enthält, um das Kind zu versorgen. Wurde während der Schwangerschaft die L-Thyroxingabe bei der Mutter angepasst, sollte nun kontrolliert werden, ob die Dosis wieder auf den Ursprungswert gesenkt werden kann.4
Fachliche Unterstützung durch:
Dr. Mathias Beyer
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Osteologie (DVO)
Praxis für Endokrinologie, Nürnberg
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Quellen:
- Feldkamp, J. Schilddrüsenerkrankungen: L-Thyroxin sinnvoll einsetzen. Deutsches Ärzteblatt. 2024; 121 (9): A607 / B-526.
- Berg, C Neue Erkenntnisse zur Levothyroxin-Gabe in der Schwangerschaft. Pharmazeutische Zeitung. 2020 online verfügbar unter:
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Fachmedizin 2023 Erhöhter TSH-Wert bei Schwangeren; AWMF-Registernr.: 053-046.
- Alexander, K et al. 2017 Guidelines of the American Thyroid Association for the Diagnosis and Management of Thyroid Disease During Pregnancy and the Postpartum. Thyroid. 2017 Mar;27(3):315-389. doi: 10.1089/thy.2016.0457.
Letzte Aktualisierung: 16.10.2024